Chinas Recht 2002.2
8.3.2001/1
Erklärungen
des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Haftung auf Ersatz seelischer
Schäden bei zivilrechtlichen Rechtsverletzungen <1>
Akt.Z. Fashi 2001/7. Verabschiedet am 26.2.2001 vom Gerichtskomitee
des Obersten Volksgerichts, verkündet am 8.3.2001, in Kraft ab 10.3.2001
Um bei der Beurteilung zivilrechtlicher Schadensfälle die Haftung
auf Ersatz für seelische Schäden korrekt bestimmen zu können, werden auf Grund
der "Zivilrechtsgrundsätze
der VR China" und sonst einschlägiger Gesetzesbestimmungen
in Zusammenfassung der Erfahrungen der Gerichtspraxis zu den einschlägigen
Fragen folgende Erklärungen gegeben:
§ 1 Wenn eine natürliche
Person in einem der folgenden Persönlichkeitsrechte rechtswidrig verletzt wird
und mit einer Klage beim Volksgericht Ersatz des seelischen Schadens verlangt,
muß das Volksgericht diese Klage nach dem Recht zur Behandlung annehmen:
1. bei Verletzung der Rechte auf Leben, Gesundheit und Körper,
2. bei Verletzung der Rechte auf den Namen, das Bild, den Ruf und
die Ehre,
3. bei Verletzung der Rechte auf Achtung der Persönlichkeit und
auf körperliche Freiheit.
Wenn jemand in Verletzung
gesellschaftlicher öffentlicher Interessen oder der gesellschaftlichen
öffentlichen Moral die Privatsphäre oder andere Persönlichkeitsinteressen
anderer verletzt, und der Geschädigte wegen Rechtsverletzung mit einer Klage
beim Volksgericht Ersatz des seelischen Schadens verlangt, muß das Volksgericht
diese Klage nach dem Recht zur Behandlung annehmen.<2>
§ 2 Wenn jemand einen
Unmündigen rechtswidrig aus der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt<3>
herauslöst und damit die familiären Beziehungen zwischen Eltern und
Kind oder zwischen nahen Verwandten<4> erheblich schädigt,
und Eltern oder Vormund mit einer Klage beim Volksgericht Ersatz des seelischen
Schadens verlangen, muß das Volksgericht diese Klage nach dem Recht zur
Behandlung annehmen.
§ 3 Wenn nach dem Tod
einer natürlichen Person deren nahe Verwandte<4> durch eine
die folgenden Rechte verletzenden Handlungen seelische Schmerzen erleiden und
mit einer Klage beim Volksgericht Ersatz des seelischen Schadens verlangen, muß
das Volksgericht diese Klage nach dem Recht zur Behandlung annehmen.
1. Wenn durch Beleidigungen, Verleumdungen, Herabsetzungen,
häßliche Entstellungen oder in einer anderen gesellschaftliche öffentliche
Interessen oder die gesellschaftliche öffentliche Moral verletzenden Form Name,
Bild, Ruf oder Ehre des Toten verletzt werden,
2. wenn rechtswidrig Privatangelegenheiten des Toten offengelegt
oder genutzt oder in einer anderen gesellschaftliche öffentliche Interessen
oder die gesellschaftliche öffentliche Moral verletzenden Form die Privatsphäre
des Toten verletzt wird,
3. wenn der Leichnam oder die Gebeine des Toten rechtswidrig
benutzt oder geschädigt oder in einer anderen gesellschaftliche öffentliche
Interessen oder die gesellschaftliche öffentliche Moral verletzenden Form
verletzt werden.
§ 4 Wenn
Gedenkgegenstände, welche eine Persönlichkeit symbolisieren, durch Rechte
verletzende Handlungen auf Dauer zerstört oder beschädigt werden, und der
Eigentümer der Gegenstände wegen der Rechtsverletzung mit einer Klage beim
Volksgericht Ersatz des seelischen Schadens verlangt, muß das Volksgericht
diese Klage nach dem Recht zur Behandlung annehmen.<5>
§ 5 Wenn eine juristische
Person oder sonstige Organisation wegen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts
beim Volksgericht Klage auf Ersatz seelischer Schäden erhebt, nimmt das
Volksgericht die Klage nicht zur Behandlung an.<6>
§ 6 Wenn eine Partei in
einem Prozess um die Verletzung von Rechten keine Klagforderung auf Ersatz
seelischer Schäden erhoben hat und nach Abschluß des Prozesses wegen der
gleichen rechtsverletzenden Tatsachen gesondert Klage auf Ersatz des seelischen
Schadens erhebt, nimmt das Volksgericht die Klage nicht zur Behandlung an.
§ 7 Wenn eine natürliche
Person durch eine ein Recht verletzende Handlung zu Tode kommt, oder wenn nach
seinem Tode seine Persönlichkeit oder sein Leichnam geschädigt werden, und sein
Ehegatte, seine Eltern und seine Kinder mit einer Klage beim Volksgericht
Ersatz seelischer Schäden verlangen, sind Ehegatten, Eltern und Kinder Kläger;
fehlen Ehegatten, Eltern und Kinder, so können andere nahe Verwandte <4>
Klage erheben und sind dann Kläger.
§ 8 Wenn eine ein Recht
verletzende Handlung seelische Schäden, aber keine schwerwiegenden Folgen<7>
verursacht, und der Geschädigte Ersatz für seelische Schäden verlangt, wird das
im allgemeinen nicht unterstützt; das Volksgericht kann entsprechend den
Umständen den Rechtsverletzer verurteilen, die Schädigung einzustellen, den Ruf
[des Geschädigten] wiederherzustellen, die Auswirkungen [der Schädigung] zu
beseitigen und sich zu entschuldigen.
Wenn eine ein Recht
verletzende Handlung zu seelischen Schäden führt und schwerwiegenden Folgen
verursacht, kann das Volksgericht, abgesehen davon, daß es den Rechtsverletzer
dazu verurteilt, die zivilrechtliche Verantwortung für die Einstellung der
Verletzung, die Widerherstellung des Rufs [des Geschädigten], die Beseitigung
der Auswirkungen und eine Entschuldigung zu übernehmen, ihn ferner gemäß der
Klage des Geschädigten zu einem entsprechenden Ersatz des seelischen Schadens
als Trostgeld verurteilen.
§ 9 Zum Trostgeld für
seelische Schäden gehören
1. Versehrungsentschädigung, wenn jemand versehrt wird,
2. Ersatz für den Tod eines Menschen, wenn jemand umkommt,
3. Trostgeld für andere seelische Schäden.
§ 10 Der Ersatzbetrag für
seelische Schäden wird aufgrund folgender Faktoren bestimmt:
1. nach dem Grad des Verschuldens des Rechtsverletzers, soweit das
Gesetz nichts anderes bestimmt,
2. nach den konkreten Umständen, insbesondere Methoden, Ort und
Form der rechtsverletzenden Handlung,
3. nach den konkreten Folgen der rechtsverletzenden Handlung,
4. nach dem Nutzen, den der Rechtsverletzer erlangt hat,
5. nach der wirtschaftlichen Fähigkeit des Rechtsverletzers,
Haftung zu übernehmen,
6. nach dem Lebenshaltungsniveau am Orte des Gerichts, das die
Klage angenommen hat.
Soweit Gesetze und
Verwaltungsrechtsnormen klare Vorschriften für die Versehrungsentschädigung und
den Ersatz für den Tod eines Menschen enthalten, gelten diese.<8>
§ 11 Wenn den Geschädigten
ein Verschulden am Eintritt schädigender Umstände oder der Folgen einer
Schädigung trifft, kann je nach dem Grad dieses Verschuldens die Haftung des
Rechtsverletzers für den Ersatz seelischer Schäden gemildert werden oder
entfallen.
§ 12 Soweit vor Verkündung
dieser Erklärungen in Kraft getretene und angewandte justizielle Erklärungen
mit diesen Erklärungen nicht übereinstimmen, gelten diese Erklärungen.
Quelle: www.chinajudge.com
Anmerkungen:
<1> Die Klagen auf Schmerzensgeld machen in der Praxis nur
einen kleinen Teil der Schadenersatzfälle aus (1988 bis Juni 1992 mit 13565
Fällen nur 1.7%, nach Yang Lixin, Qinquan sunhai peichang sifa shiwu
[Gerichtspraxis in Fällen von Schadenersatz wegen Rechtsverletzungen], Peking
1993, S.186). Aber darunter sind nicht wenige causes célèbres, die in China
unter Juristen, aber teils auch in der Öffentlichkeit heiß diskutierte Fragen
betreffen. Deshalb haben auch diese "Erklärungen" dazu für Aufsehen
gesorgt und sind als wichtigen Schritt voran und bedeutsame Vorstufe
entsprechender Regeln im geplanten Zivilgesetzbuch bezeichnet worden; im
Internet finden sich zu ihnen zahlreiche Artikel und Diskussionen . Wichtig ist
insbesondere eine Netzdiskussion mit Yang Lixin, der anscheinend an der
Ausarbeitung der "Erklärungen" beteiligt war
(www.jc.gov.cn/personal/ysxs/fnsx3/fnsx2592.htm; im folgenden: Yang aaO.). Auch
die juristische Fachpresse beschäftigt sich gern mit Themen aus diesem Bereich;
soeben ist ein großer rechtsvergleichender Aufsatz zu den
Persönlichkeitsrechten erschienen (Ma Junju, Liu Hui: Lun falü renge neihan de
bianqian he rengequan de fazhan - cong minfa zhong de ren chufa [Zu den
Änderungen des Inhalts der Persönlichkeit im Recht und der Entwicklung des
Persönlichkeitsrechts - ausgehend von der Person im Zivilrecht], Faxue pinglun
(Wuhan), 2002/1.26-41).
Das große Interesse
ergibt sich daraus, daß hier auch dem Nichtjuristen unmittelbar verständliche
aufsehenerregende Fälle, neue gesellschaftliche Tendenzen und eine für China
neue, auch politisch bedeutsame Rechtsentwicklung zusammenkommen.
Das zeigt exemplarisch
schon der wohl erste öffentlich diskutierte Fall dieses Bereichs, der des
erstmals 1957 erschienenen, bald sehr populären Romans "Jugendlied".
Er schildert die Geschichte einer jungen Revolutionärin in den 1920er Jahren,
die ihr reiches Elternhaus verläßt, um mit ihrer großen Liebe zusammenleben zu
können und dem Volke als Lehrerin zu dienen; leider aber versagt der Freund als
Revolutionär, deshalb trennt sie sich von ihm. Ein Reporter ging Anfang der 1980er
Jahre der offensichtlich autobiographischen Geschichte nach und machte ein
Interview mit dem Freund, der manches ein wenig zurechtrückte; die Geschichte
nahm sich aus seiner Sicht banaler aus. Die berühmte Autorin war tief verletzt
und verlangte öffentlich, Partei und Pressebehörden sollten gegen die
Veröffentlichung dieses Interviews einschreiten, blieb damit aber erfolglos.
Auf den Gedanken, vor Gericht zu gehen, kam sie damals nicht.
Verständlicherweise, denn unter Mao und ganz besonders noch kurz zuvor im
Jahrzehnt der Kulturrevolution war es nicht rechtswidrig, sondern geradezu
Pflicht jedes Untertans, beliebige andere in möglichst übler Weise zu
beschimpfen, zu verleumden und körperlich bis zum Mord zu mißhandeln, wenn das
nur irgendwie den Intentionen der politischen Obrigkeit entsprach. Abhilfe
konnte nur eben diese Obrigkeit schaffen, der Gedanke an eine Klage, gar auf
Ersatz entstandener seelischer Schäden wäre in einer solchen Gesellschaft
absurd, ja verbrecherisch ("konterrevolutionär") gewesen. Als
Personenschaden konnte allenfalls "durch Körperverletzung verursachter
Vermögensschaden" ersetzt werden; "nur die Bourgeoisie kann annehmen,
daß gefühlsmäßige Schmerzen mit Geld geheilt, wie Waren gegen Geld getauscht
werden können," hieß es im einzigen unter Mao erschienenen Lehrbuch des
Zivilrechts, Zhonghua renmin gongheguo minfa jiben wenti [Grundfragen des
Zivilrechts der VR China], Peking 1958, S.339 (und das wurde noch 1980 in
Zhonghua renmin gongheguo minfa jiangyi [Vorträge zum Zivilrecht der VR China],
hrsg.v. zivilrechtlichen Seminar der juristischen Fakultät der Universität
Wuhan, S.203, wörtlich wiederholt).
Das hat sich geändert.
Die Zivilrechtsgrundsätze (12.4.86/1)
erkannten erstmals ausdrücklich Nichtvermögensrechte als Zivilrechte an: ihr
Kapitel 5, Zvilrechte, unterschied von "Vermögenseigentum und ähnlichen
Rechten", "Schuldrechten" und "geistigen
Eigentumsrechten" in Abschnitt 4 die "renshenquan", in unserer
Übersetzung der Zivilrechtsgrundsätze als "Personenrechte" übersetzt,
wörtlich "Menschenkörperrechte", als welche dann einerseits für
natürliche Personen das Recht auf Leben und Gesundheit und das Recht auf das
eigene Bild sowie Rechte auf Ehefreiheit, auf den Schutz von Ehe, Familie,
Müttern, Kindern und Versehrten und das Recht auf die Gleichbehandlung von
Männern und Frauen, für natürliche wie juristische Personen ("und andere
Organisationen") das Recht auf den Namen und Rechte auf Ruf und Ehre aufgezählt
wurden. Teilweise konnte man solche Rechte zwar auch schon vorher aus der
Verfassung ableiten, deren direkte Wirkung aber war und ist umstritten. Erst
die Zivilrechtsgrundsätze gaben klare Ansprüche zum Schutz dieser Rechte,
nämlich Ansprüche darauf, Rechtsverletzungen einzustellen und den Zustand vor
der Verletzung, etwa durch öffentliche Entschuldigung, wiederherzustellen, und
auch Ansprüche auf Schadenersatz. Als Beispiele zu ersetzender Schäden führten
der Text der Zivilrechtsgrundsätze und auch die die Grundsätze erläuternden
"Ansichten" des Obersten Volksgerichts zwar wie nach dem ziterten
Text von 1958 und 1980 nur durch die Rechtsverletzung angerichtete materielle
Schäden auf. Schon früh aber forderte die Literatur - vgl. schon Jiang Ping,
Zhao Xudong, Meng Yu: Minfa jiaocheng [Zivilrechtskurs], Peking 1988, S.342 -
auch Ersatz immateriellen Schadens, Schmerzensgeld.
Die Liste geschützter
Nichtvermögensrechte in §§ 98-104, 119, 120 der Zvilrechtsgrundsätze ist bald
in anderen Vorschriften, vor allem den Gesetzen zum Schutz der Verbraucher
(1994), zum Schutz der Rechte der Frauen (1992), zum Schutz der Minderjährigen
(1991) und zum Schutz der Behinderten (1990), ferner dem Produktqualitätsgesetz
(22.2.93/1),
dem Staatsentschädigungsgesetz (12.5.94/1)
und dem (2001 nach Erlaß der "Erklärungen" ergangenen) neuen
Ehegesetz, detailliert und ausgeweitet worden, und dort wird nun ausdrücklich
auch Ersatz allgemein für Nichtvermögensschäden (Minderjährigenschutzgesetz §
47, Behindertenschutzgesetz § 51, Frauenschutzgesetz § 52) oder für bestimmte
Nichtvermögensschäden (Produktqualitätsgesetz § 44, Staatsentschädigungsgesetz
§§ 26, 27 I Nr.3; Verbraucherschutzgesetz §§ 41 ff., im Ergebnis auch Ehegesetz
§ 46) vorgesehen.
Die
"Erklärungen" fassen all diese Vorschriften zusammen, ohne sich auf
die speziellen Schutzbereiche der einzelnen Gesetze zu beschränken. Daraus
ergibt sich insbesondere der Schutz eines allgemeinen "Rechts auf Achtung
der Persönlichkeit" in § 1 I Nr.3, bzw. der "Persönlichkeitsinteressen"
oder der "Persönlichkeit" in §§ 1 II, 4, 7 der
"Erklärungen". Das läuft auf eine Ausweitung des geltenden
Gesetzesrechts hinaus. Verfassungsrechtlich darf eine solche vom Obersten
Volksgericht gesetzte Norm aber Gesetzesrecht nicht ändern, sondern muß als
Zusammenfassung der schon bisher in den Zivilrechtsgrundsätzen und anderswo
geschützten einzelnen Nichtvermögensrechte gesehen werden.
Seinerseits kann dann
dieses allgemeine Persönlichkeitsinteresse oder Persönlichkeitsrecht wiederum
genutzt werden, um bisher im gesetzten Recht nicht geregelte Rechte dieses
Bereiches zu erfassen, wie Rechte auf Ruhe, Information, Bewegungsfreiheit oder
sexuelle Selbstbestimmung (Yang aaO., Ma und Liu aaO.). Verletzungen vieler
dieser Rechte sind auch schon vor den "Erklärungen" als Verletzungen
insbesondere des Rechtes auf den guten Ruf oder die Ehre erfaßt worden.
Einige Einzelfälle:
Das Recht auf sexuelle
Selbstbestimmung spielt als "Keuschheitsrecht" eine Rolle in
zwei gegenwärtig ein gewisses Aufsehen erregenden Fällen. Eine Familie
vermietete 2 Zimmer, eines an eine junge Arbeiterin, eines an einen jungen
Arbeiter. In der Nacht des 18.9.2001 irrte sich der volltrunkene Arbeiter in
der Zimmertür und versuchte, sich in das Bett des jungen Mädchens zu legen, das
schon schlief, nur mit einem Höschen bekleidet. Um sich zuzudecken, zog er ihr
die Decke weg. Sie wachte auf, riß die Decke an sich, um sich zu verhüllen, und
schrie. Er kam etwas zu sich, starrte sie an und lief fort. Ihre Eltern zeigten
ihn am nächsten Tag an, aber die Polizei sah nach kurzer Untersuchung von einer
Verfolgung ab, weil er ohne jede böse Absicht gehandelt und das Mädchen nicht
angerührt habe. Die Eltern verlangten von ihm eine Entschuldigung und
Schadenersatz, beides verweigerte er; die Eltern klagten Ende November 2001 in
Vertretung ihrer Tochter auf 8000 Yuan Schmerzensgeld wegen unerträglichen
seelischen Drucks (ein Krankenhaus hatte ihr eine Depression bescheinigt); Ende
Dezember 2001 sprach ihr das Gericht der Stadt Changshu (Jiangxi) 800 Yuan zu,
weil der Beklagte, indem er sie nackt gesehen, ihr Persönlichkeitsrecht
fahrlässig verletzt habe (latelinenews.com/11/chinese/1108306.shtml).
In Shenzhen nahm eine
26jährige die Einladung eines sympathischen wohlhabenden Überseechinesen zum
Abendessen in seine Wohnung an; dort vergewaltigte er sie mehrfach unter
Anwendung erheblicher Gewalt und hielt sie stundenlang gefangen. Kurz nach
Mitternacht konnte sie in einem unbewachten Moment die Polizei zur Hilfe rufen.
Der Polizeiarzt stellte fest, daß sie Jungfrau gewesen und im Genitalbereich
und sonst am Körper verletzt worden war. Der Täter wurde zu 12 Jahren
Arbeitslager verurteilt. Mit Zivilklage verlangte die Frau 450.000 Yuan
Schmerzensgeld. Am 1.11.2001 sprach das Gericht des Bezirks Lohu der Stadt
Shenzhen ihr 80.000 Yuan Schmerzensgeld zu. Beide Seiten haben Berufung
eingelegt, die Entscheidung steht noch aus
(www.civillaw.com.cn/research/month/19.asp).
Diskutiert wird zum
"Keuschheitsrecht" u.a. einerseits darüber, ob es auch für
Nichtjungfrauen gelte, und andererseits, ob man denn Keuschheit mit Geld
abgelten könne. Die Frage, ob man bei der Versilberung seiner seelischen
Schmerzen nicht auch zu weit gehen könne, spielt ausgesprochen oder
unausgesprochen auch in der Diskussion über das Schmerzensgeld für den
Verlust von Angehörigen eine Rolle. So bei dem Tod eines gut einjährigen
Mädchens, das auf einem Busbahnhof von einem Bus überfahren wurde. Das Gericht
der Stadt Nanhai, Guangdong, sprach den Eltern am 4.7.2000 knapp 32.000 Yuan
für ihre Aufwendungen (Krankenhauskosten usw.) und 20.000 Yuan Schmerzensgeld
zu. Die Eltern wollten mehr Schmerzensgeld und legten Berufung ein. In der
Berufungsentgegnung berief sich die Busgesellschaft darauf, daß man die Mutter öfters
gebeten habe, das Kind zu hindern, auf dem Busbahnhof zu spielen; sie habe
darüber immer nur gelacht; nach dem Tod des Mädchens habe sie nach Angaben von
Nachbarn sich gefreut, weil sie nun noch ein Kind, also vielleicht einen Jungen
bekommen dürfe, und sie habe deshalb ein Essen ausgegeben. Darauf verlangten
die Eltern für den durch solch beleidigende Behauptungen erlittenen
zusätzlichen Schmerz auch zusätzliches Schmerzensgeld.
(law.beelink.com.cn/anli/al01121003.htm; die Berufungsentscheidung liegt uns
nicht vor).
Im Herbst 1998
verschwand in einem Krankenhaus ebenfalls in Nanhai ein am gleichen Tag
geborener Junge. Das Kind hatte im Krankenhaus im Bett zu Füßen seiner Mutter
gelegen, die am Tropf hing; die Großmutter war gleichfalls im Zimmer, aber kurz
eingeschlafen; im Zimmer waren auch noch andere Frauen mit Kindern kurz nach
der Geburt und ihren Angehörigen. Der Fall konnte nicht aufgeklärt werden. Die
Eltern verlangten vom Krankenhaus 740 Yuan für im Zusammenhang mit Meldung und
Untersuchung des Falls entstandene Fahrkosten und 500.000 Yuan Schmerzensgeld
für den Verlust des Kindes. In 1. Instanz (die entscheidenden Gerichte sind in
unserer Quelle nicht angegeben) wurde die Klage abgewiesen: das Krankenhaus
habe das Kind nach der Geburt der Mutter übergeben und damit seine
vertraglichen Pflichten erfüllt, danach sei die Mutter selbst für die Sorge um
das Kind verantwortlich gewesen. Die 2. Instanz sah das Krankenhaus, solange
Mutter und Kind dort in Pflege waren, weiter für deren Sicherheit verantwortlich,
und erkannte ihr neben den 740 Yuan Fahrtkosten 20.000 Yuan Schmerzensgeld zu.
(www.gdlaw.net/law/list.asp?id=414, aus dem "Anwaltsnetz von Shenzhen,
Guangdong", datiert 3.12.2001)
In diesem Fall wurden
die Ersatzansprüche allein aus dem Vertrag zwischen den Parteien abgeleitet.
Das lag daran, daß damals, vor den vorliegenden "Erklärungen", ein
allgemeines Recht darauf, daß familiäre Beziehungen nicht zerstört werden, sich
aus den gesetzlichen Bestimmungen zu Nichtvermögensrechten schwer ableiten
ließ, während jetzt § 2 der "Erklärungen" die Beziehungen naher
Verwandter zu einem Kind ausdrücklich schützt: Daraus und aus § 46 Ehegesetz
(zum Schadenersatz bei Scheidung, insbesondere als Schmerzensgeld für die
betrogene Ehefrau) läßt sich nun ein allgemeines Recht auf den Schutz des
familiären Status konstruieren; so Yang Lixin aaO.
Damit ergäbe sich jetzt
jetzt bei diesem Fall die Frage, wie Anspruchskonkurrenz vertraglicher
und deliktischer Ansprüche behandelt werden soll. Sie spielt sonst besonders
bei Verkehrsunfällen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis eine Rolle,
wenn es um Schäden eines Fahrgasts geht; eingehend dazu Ke Zhi (Anwalt in
Zhejiang): "Zu einigen Fragen des Schadenersatzes für Fahrgäste im
Straßenverkehr" (go4.163.com/kezhi2000/new_page_38.htm). Ke führt mehrere
Urteile auf, die für den Tod oder schwere Verletzungen des Fahrgastes
Schmerzensgeld zubilligten. Die Gerichte hielten sich dabei gern an lokale
Vorschriften zur Obergrenze solcher Ansprüche. Vertragliche Regelungen
scheinen in diesen Urteilen weiter keine Rolle gespielt zu haben. "In der
gegenwärtigen Gerichtspraxis jedenfalls wird dem Kläger die Wahl gelassen, ob
er vertragliche oder deliktische Ansprüche geltend macht," schreibt Ke
dazu und zitiert für Wahlfreiheit neben § 122 des Vertragsgesetzes (15.3.99/1)
auch Wang Zejian (Minfa shili yanxi congshu - jichu lilun [Sammlung von
Untersuchungen zu praktischen Zivilrechtsfällen - Grundlehren], Taibei 1981,
S.86 f.) und Na Ying (Weiyue zeren [Haftung für Vertragsverletzungen], Peking,
S.262). Ke stimmt aber Wang Liming (Panli yanjiu 2000/2) zu, der Schmerzensgeld
für Nichterfüllung von Verträgen ablehnt, und verweist auf die internationale
Praxis, wenigstens für Personentransportverträge Obergrenzen der Haftung zuzulassen,
die dann auch bei deliktischen Ansprüchen die Ersatzbeträge für Verletzungen
von Nichtvermögensrechten begrenzen müssen, wenn sie ihren Zweck, Risiken z.B.
für Versicherungen berechenbar zu machen, erfüllen sollen.
Anspruchskonkurrenz
deliktischer mit vertraglichen oder auch verwaltungsrechtlichen Ansprüchen läßt
sich auch im folgenden Fall vermuten, der sich auf einer Netzseite des
chinesischen Justizministeriums findet
(www.legalinfo.gov.cn/xuefa/qingshaonian/qingshaonian117.htm), leider ohne
Orts- und Zeitangabe: Eine Oberschule hatte ihren Schülern verboten, das
Schulgelände während der Schulzeit ohne besondere Genehmigung zu verlassen; die
Ausgänge wurden bewacht, um das Verbot durchzusetzen. Außerdem hatte sie ihnen
verboten, an oder in einen nahegelegenen Fluß zu gehen. Ein fünfzehnjähriger
Schüler schlich sich dennoch während einer Pause hinter dem Rücken der Wache
zum Fluß, um sich zu waschen, und ertrank dabei. Die Eltern verlangten 17643
Yuan wirtschaftlichen Schaden und 8000 Yuan Schmerzensgeld. Das Gericht sah das
Hauptverschulden zwar beim Schüler, bei der Schule aber ein Mitverschulden und
ließ sie deshalb auf 30% des Schadens haften, u.a. auf 3000 Yuan
Schmerzensgeld.
Abhilfe und Ersatz bei Freiheitsbeschränkungen
wurde in sehr unterschiedlichen Fällen gewährt. So bei Verletzung der
"Erziehungswahlfreiheit": Eine höhere Schule änderte den Fragebogen
mit den Wünschen eines Prüflings und ließ ihn dementsprechend nach der Prüfung
nicht zu einer Schwerpunktschule zu, obwohl er die Voraussetzungen erfüllte;
ein Gericht in Wuhan verurteilte die Schule, dem abzuhelfen, und zu Ersatz der
Schulgebühren des Schülers. Ein Kommentar zu der Entscheidung berief sich für
das Erziehungsrecht auf die Verfassung. (Fazhi ribao 28.7.1995; die Schule
legte Berufung ein, die Berufungsentscheidung liegt uns nicht vor). - Bei
Einschreitung der Bewegungsfreiheit: Durch von den Gerichten als ehrverletzend
gewerteten Durchsuchungen weiblicher Käufer oder Beschäftigter bei
Diebstahlsverdacht (Beschäftigte 18jährige: Urteil auf öffentliche
Entschuldigung des Arbeitgebers und 5000 Yuan Schmerzensgeld, Bezirksgericht
Jing'an, Shanghai, 1998, Shanghai fayuan dianxing anli congbian [Sammlung
typischer Fälle Shanghaier Gerichte], Shanghai 2001, S.250. Das Gericht berief
sich auf das Frauenschutzgesetz und auf das Verbot rechtswidriger
Durchsuchungen in der Verfassung.) Durch das Verbot, ein allgemein der
Öffentlichkeit Dienst anbietendes Gebäude - das Shanghai Hilton - zu betreten:
Das Hilton verbot ausgeschiedenen Beschäftigten, das Gebäude während eines
halben Jahrs nach dem Ausscheiden zu betreten. Die Klägerin war beim Hilton
ausgeschieden und hatte eine Stelle bei dem Büro eines Unternehmens im Hilton
angenommen, die anzutreten das Hotel sie hinderte. Dagegen klagte sie. Das
Bezirksgericht Jing'an (1995) und in 2. Instanz das 2. Volksgericht der
Mittelstufe Shanghai (1996) gaben ihr recht, weil das Verhalten der Beklagten
das persönliche Recht der Klägerin als Bürgerin verletze, sich in der
Öffentlichkeit zugänglichen Gebäuden frei zu bewegen. (Shanghai fayuan... aaO.
S.246). Der Fall dürfte böse Erinnerungen an das berüchtigte Schild in einem
Shanghaier Park geweckt haben, auf dem es vor dem 2. Weltkrieg hieß: Dogs and
Chinese not admitted; ebenso wie an die unter Mao und noch in den 1980er Jahren
üblichen Zutrittsbeschränkungen für Chinesen in teuren Ausländerhotels und den
ebenfalls für Ausländer gedachten sog. Freundschaftsläden.
Infolge der Vorliebe
chinesischer Autoren für Autobiographisches und die sogenannte Berichtsliteratur
(Baogao wenxue, literarisch verbrämte Tatsachenberichte) haben die Gerichte
nun häufig auch mit Fällen wie dem "Jugendlied" zu tun. Diese Fälle
errregen oft erhebliches Aufsehen. So der Fall des Berichts über eine
Geschlechtsumwandlung ("Die Frau, die den Weg eines Mannes ging - Bericht
über einen Besuch bei der ersten Frau, die in unserer Provinz diese Operation
vornehmen ließ"), den der Verfasser mit dem Photo des Betroffenen in
mehreren Zeitschriften unterbringen konnte. Um Aufsehen und dummen Reden zu
entgehen, mußte der Betroffene zweimal umziehen und seine Stelle aufgeben. Er
klagte vor dem Volksgericht der Mittelstufe in Lanzhou gegen den Verfasser und
zwei Zeitschriften auf Einstellung der Berichte, öffentliche Entschuldigung und
vor allem auf 550.000 Yuan Schadenersatz, davon 30.000 Yuan direkten
Vermögensschaden. Die Beklagten beriefen sich darauf, daß der Betroffene
telephonisch gegenüber dem Verfasser einem Bericht über seinen Fall und der
Verwendung seines Photos zugestimmt hatte. Das Gericht stellte aber anhand der
Tonbandaufzeichnung des Telephongesprächs fest, daß der Betroffene sich nicht
recht darüber im klaren gewesen war, was der Verfasser eigentlich schreiben
wollte, wie aufsehenerregend der Bericht ausfallen würde. In einer Schlichtung
vor dem Gericht einigte man sich am 17.11.1999 auf 15.000 Yuan Schadenersatz.
(Renmin fayuan anlixuan [Auswahl von Fällen der Volksgerichte], hrsg. vom
Institut für angewandte Rechtswissenschaft beim Obersten Volksgericht, Bd.31 - 2000
- S.117.)
1944 starb in Tianjin
eine neunzehnjährige Ballettänzerin. Über ihr Leben erschien im Tianjiner
"Heutigen Abendblatt" von April bis Juni 1987 in 56 Folgen ein
Fortsetzungsroman unter dem Titel "Lotosblütenmädchen", der
sie bei ihrem wahren Namen nannte und berhauptete, sie habe ab ihrem 17.
Lebensjahr drei Liebesverhältnisse gehabt, darunter eines mit einem
Verheirateten, habe vor Mafiabossen gesungen und sei an einer
Geschlechtskrankheit gestorben. Die Mutter der Tänzerin verlangte von der
Zeitung mehrmals erfolglos, den weiteren Abdruck des Romans einzustellen. Sie
klagte wegen Verletzung der Ehre ihrer Tochter und auch ihrer selbst gegen die
Zeitung und den Verfasser auf Richtigstellung und Schadenersatz. Das Gericht
der Mittelstufe in Tianjin gab ihr am 21.9.1989 recht. Die Angaben im Roman
seien unwahr. Auch die Ehre einer Toten müsse geschützt werden. Die Zeitung
hatte sich öffentlich zu entschuldigen. Jede weitere Veröffentlichung des
Romans wurde verboten, ein Schadenerssatz von 400 Yuan zuerkannt. Die Zeitung
legte Berufung ein. Vor dem Gericht der Oberstufe in Tianjin kam es am
11.4.1990 zu einem Vergleich, nach dem die Zeitung außer einer Entschuldigung
auch eine Richtungstellung der Klägerin veröffentlichen mußte. Über den "wirtschaftlichen
Schadenersatz" - wohl vor allem die Anwaltskosten - wollten sich die
Parteien außergerichtlich einigen. (Vgl. das Amtsblatt des Obersten
Volksgerichts, 1990/2).
"Lotosblütenmädchen" war Anlaß der "Erläuterung des
Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen der Behandlung von
Ehrverletzungsfällen", bekanntgemacht am 7.8.1993 (Amtsblatt des Gerichts
35.102), der u.a. angibt, wer bei Verletzung der Ehre von Toten Klage erheben
kann, nämlich nahe Verwandte in direkter Linie von den Großeltern bis zu den
Enkeln, ferner Ehegatten und Geschwister. Eine weitere Erläuterung des Obersten
Volksgerichts zum gleichen Thema, vom 14.7.1998 (Amtsblatt des Gerichts
56.137), wurde von einem anderen aufsehenerregenden Fall ausgelöst, dem Haideng-Fall.
Ein buddhistischer Möch, der "Haideng fashi" (etwa: Dharma-Meister
Meereslicht) hatte wegen seiner angeblich übernatürlichen Fähigkeiten in der
Kampfkunst (à la Shaolin) und zur Heilung von Kranken viele Anhänger gewonnen.
Ein Journalist verfaßte 1988 für die Nachrichtenagentur Xinhua einen internen
Bericht über die Sache, die er als Schwindel beschrieb. Der Bericht sickerte
durch, ein Schüler und Adoptivsohn des Mönchs klagte wegen Ehrverletzung des
Mönchs und seiner selbst und bekam recht (1. Instanz: Gericht der Mittelstufe
Chengdu, 29.5.1993, 2.: Gericht der Oberstufe von Sichuan, 17.8.1998), der
Journalist wurde zu einer "Richtigstellung" verurteilt, die er
verweigerte. (Xinmin zhoukan 2001/3 = news.sohu.com/47/43/news144384347.shtml).
Die Erläuterung des Obersten Volksgerichts befaßte sich vor allem mit der
Frage, wann eine Aussage in einem internen Bericht oder einer offiziellen
Beurteilung eine Ehrverletzung sein könne, und wann nicht; sie stellte interne
Berichte an Vorgesetzte von zivilrechtlicher Verfolgung frei, nicht aber
interne Berichte, die wie hier in einer Firma oder einer Behörde oder einem
Netz von Behörden oder Firmen verbreitet werden. Anläßlich der Verfolgung der
Dharmarad-Sekte, die mit einem ähnlichen Streit über einen kritischen
Zeitungsartikel begann, ist die Diskussion über den Haideng-Fall wiederbelebt
worden.
Die damals vierjährige
RY wurde 1991 von ihren Eltern der Artistin Zhou in Pflege gegeben, die die
Kleine in ihrem Beruf ausbildete. 1994 änderte Zhou den Namen der Kleinen ohne
Zustimmung der Eltern in Zhou RY; die Namensänderung wurde nicht registriert.
Kurz darauf spielte RY als "Hundebaby" die Hauptrolle im Film
"Bianlian" (Verändertes Gesicht). Im Herbst 1995 holte die Mutter das
Kind wieder nach Hause. Kurz darauf erhielt der Film einen Preis, und ein Kader
des Filmherstellers wollte das Kind von Zhou zu der Presiverleihung bringen.
Zhou sagte ihm, die Mutter habe das Kind zurückgeholt, und seitdem habe sie
nichts mehr von ihm gehört. RYs Familienverhältnisse seien unerfreulich: Der
Vater sei Spieler und drogensüchtig und habe die Wohnung leergeräumt. Der Kader
war erschüttert und schrieb in einem dann von der Wenhua yishu bao (Kultur- und
Kunstzeitung) zusammen mit Bildern des Kindes veröffentlichten Bericht
("Hundebaby, wo bist Du?"), das Kind sei spurlos verschwunden, die
Mutter sei mehrfach wegen ihrer Drogensucht in Haft gewesen, der Vater sitze im
Gefängnis. Der Bericht wurde von mehreren großen überregionalen Blättern
übernommen. Darauf klagte RY vertreten von ihrer Mutter wegen Verletzung ihrer
Rechte auf ihren Ruf, ihren Namen und ihr Bild gegen Zhou, den Kader und den
Verlag der Wenhua yishu bao auf Einstellung dieser Rechtsverletzungen und auf
Entschädigungen von 8000 Yuan von Zhou, 18.000 Yuan von dem Kader und 30.000 Yuan
vom Verlag. RY habe große seelische Bedrückung erlitten, ihr Ruf sei
geschädigt. Zhou verteidigte sich, sie habe dem Namen RY entsprechend den
Gepflogenheiten ihres Berufs im Intersse des Kindes den eigenen Namen als den
der Lehrerin vorangesetzt, sie habe RY damit nützen, nicht schaden wollen. Sie
habe RY auch nicht als verschwunden bezeichnet und im übrigen nicht geahnt, daß
der Kader einen Bericht veröffentlichen werde. Der Kader verteidigte sich, er
habe den Bericht aus Zuneigung für RY und in Sorge um sie geschrieben,
keineswegs, um ihr zu schaden. Der Verlag erklärte, er habe sich auf die
Angaben des Kaders und Zhous verlassen.
Das Bezirksgericht von
Bailin, Xi'an, entschied am 15.7.1998, Zhou habe das Namensrecht, die
beiden anderen Beklagten hätten das Recht auf das eigene Bild des Kindes und
mit der öffentlichen Behauptung, das Kind sei verschwunden, auch sein Recht
auf seinen guten Ruf verletzt; sie hätten, bevor sie eine solche Behauptung
aufstellten, sich informieren müssen, was leicht möglich gewesen sei. Die
Beklagten wurden verurteilt, die Rechtsverletzungen einzustellen und jeder an
RY je 500 Yuan zu zahlen. (Renmin fayuan anlixuan 31.122 ff.) Auffallend ist
der hier besonders große Unterschied zwischen Klageforderung und wohl auch den mit
dem getadelten Bericht erzielten Einkommen einerseits und zuerkannter
Entschädigung andererseits, der sich wohl daraus erklärt, daß nur die
Behauptung, das Kind sei verschwunden, als wahrheitswidrig getadelt wird, und
daß man dem Kader seine Sorge um das Kind geglaubt, sie vielleicht auch geteilt
hat. Dazu hat wohl beigetragen, daß die Eltern selbst nicht wegen Rufschädigung
geklagt haben.
<2> Die Vorschrift teilt die Nichtvermögensrechte zunächst
ebenso auf, wie es die Zivilrechtsgrundsätze tun: Abs.1 Nr.1 führt die dort in
§ 89 und § 119 geschützten Rechte auf, Abs.1 Nr.2 die dort in §§ 99-102 und §
120 geschützten Rechte. Dann folgt aber in Abs.2 ein allgemeiner
Auffangstatbestand: Schadenersatz kann auch für jede unmoralische Verletzung
anderer "Persönlichkeitsinteressen" verlangt werden. Von Interessen,
nicht von Rechten ist dabei wohl deshalb die Rede, weil auch Namen, Ruf und
Ehre von Toten geschützt werden sollen - vgl. §§ 3, 4 -, und Tote keine
Rechtsträger mehr sein können. Die "Erklärungen" enthalten keine
Vorschrift dazu, wie lange die "Rechtsinteressen" von Toten geschützt
werden sollen. Jedenfalls erlischt der Schutz mit dem Tod des letzten
klageberechtigten "nahen Verwandten" (vgl. Anm.4).
<3> Elterliche oder vormundschaftliche Gewalt: im Chinesischen
steht hierfür ein Begriff, jianhuquan. Vgl. im übrigen zu diesem Paragraphen
die Fälle von Kindstötung und Kindesentzug in Anm.1.
<4> Nahe Verwandte: Verwandte in direkter Linie von den
Großeltern bis zu den Enkeln, ferner Ehegatten und Geschwister. Vgl. die
"Erläuterung" des Obersten Volksgerichts vom 7.8.1993 aaO. (Anm.1).
<5> Diese Berücksichtigung des besonderen Erinnerungswertes
von Gegenständen betrifft nicht nur etwa Denkmäler, sondern z.B. auch
Tagebücher, Familienerbstücke. Sie ist für China völlig neu und nach Yang Lixin
aaO. (Anm.1) aus Japan übernommen; Yang warnt, sie dürfe nur mit Vorsicht
genutzt werden.
<6> Das bedeutet nicht etwa, daß Nichtvermögensrechte
juristischer Personen nicht geschützt werden, oder daß bei ihrer Verletzung
kein Schadenersatz verlangt werden darf. Schutz vieler solcher Rechte
juristischer Personen ist in den Zivilrechtsgrundsätzen ausdrücklich
vorgesehen, vgl. Anm.1, und die vorliegenden "Erklärungen" können
kein Gesetzesrecht ändern. Die Vorschrift bedeutet lediglich, daß nur bei
Verletzung von Nichtvermögensrechten juristischer Personen als Schadenersatz
nur Ersatz von Vermögensschäden verlangt werden kann, kein Schmerzensgeld. Auch
kann die juristische ebenso wie die natürliche Person gemäß den Zivilrechtsgrundsätzen
Unterlassung, Richtigstellung und Entschuldigung verlangen.
<7> Wie schwere psychische Erkrankungen, Selbstmord, heißt
es dazu öfters, so in der Beijing ribao vom 9.1.2002 in einem Aufsatz zu Schmerzensgeldforderungen
bei der Scheidung nach § 46 Ehegesetz. In einer das Ehegesetz ergänzenden
Erklärung des Obersten Volksgerichts wird zwar für diese
Schmerzensgeldforderungen auch auf die vorliegenden "Erklärungen"
verwiesen, aber man wird, wie die Anm.1 aufgeführten Fälle zeigen, wohl kaum
etwa beim Tod eines Kindes stets erst eine schwere seelische Erkrankung bei den
Eltern verlangen können, ehe der Verantwortliche Schadenersatz zu zahlen hat.
Ebenso setzt der vorliegende Paragraph nicht Vorschriften wie die in der
folgenden Anmerkung zitierten außer Kraft, die bei Todesfällen und schweren
körperlichen Verletzungen ohne weiteres bestimmte Beträge als Ersatz für
Nichtvermögensschäden vorsehen.
<8> Das bezieht sich u.a. auf die "Methode zur Regelung
von Straßenverkehrsunfällen", erlassen mit VO Nr.89 des Staatsrates vom
22.9.1991, in Kraft 1.1.1992, Ggb 1209. Diese Methode regelt in Kap.4 den
Schadenersatz bei Verkehrsunfällen und sieht dort in § 37 genau vor, welche
Schäden ersetzt werden. Es handelt sich fast ausnahmslos um materielle Schäden,
wie Krankenhauskosten und Verdienstausfall. § 37 Nr.5 bestimmt aber, daß
Versehrten nach dem Grad der Versehrung und dem örtlichen durchschnittlichen
Lebenshaltungsniveau 20 Jahre lang (bei über 70jährigen für kürzere Zeit) eine
"Versehrtenunterstützung" gezahlt wird; § 37 Nr.8 bestimmt ebenso für
den Todesfall, daß nach dem örtlichen durchschnittlichen Lebenshaltungsniveau
für 10 Jahre (bei unter 16jährigen für kürzere Zeit) ein Sterbezuschuß gezahlt
wird, und zwar neben der Entschädigung für entgangenen Unterhalt. Ähnlich ist
ein Sterbegeld (sechs Monatslöhne) auch in § 25 der Vorläufigen Regeln für die
Unfallversicherung der Unternehmensbeschäftigten (im Rahmen der
Sozialversicherung; in Kraft 1.10.1996) vorgesehen.
Der Entwurf der
vorliegenden "Erklärungen" enthielt Obergrenzen für die Ersatzbeträge
bei immateriellen Schäden. Solche Obergrenzen finden sich in lokalen
Regelungen, z.B. der Gerichte in Chongqing (100.000 Yuan) oder Shanghai (50.000
Yuan; nach Yang Lixin, news.netbig.com/china/2105/20010312/100409.htm; für
Kanton hat der städtische Volkskongreß dagegen eine Untergrenze von 50.000 Yuan
festgesetzt, www.gdlaw.net/law/list.asp?id=392), aber auch in § 117
Seehandelsgesetz (7.11.92/1)
und anderen Vorschriften des Personentransportrechts. Man hat in den
"Erklärungen" aber angesichts der Vielfalt möglicher Schäden bewußt
von der Festsetzung von Ober- und Untergrenzen abgesehen. Die schon 1994 auf
dem Gesetzgebungsplan stehenden, 2001 eigentlich mit Sicherheit erwarteten
"Regeln für den Straßenverkehr der VR China" sollen im Entwurf eine
Obergrenze von 40.000 Yuan für den Ersatz von Personenschäden im Straßenverkehr
vorsehen, was wohl nicht nur Ke aaO. (Anm.1) für viel zu niedrig hält, obwohl
auch er eine Standardisierung der Beträge begrüßen würde. Er berichtet zur
Illustration über Entscheidungen in im wesentlichen gleich gelagerten Fällen,
bei denen für den Tod eines Verkehrsunfallopfers in Zhejiang 60800 Yuan, in
Jiangxi 33590 Yuan gezahlt wurden.
Übersetzung, Anmerkungen, Copyright: F.Münzel Hamburg